Der sentimentale Kassettenrekorder
1973 jährt sich die Eröffnung des Freilichtmuseums Hagen zum 50. Mal. Aus diesem Anlass zeigen wir gleich zwei Ausstellungen, die den Blick in die Zeit um 1973 richten. Thema im Sonderausstellungsgebäude sind die Ausbreitung und Nutzung von „Technik“ im weitesten Sinn in Haushalten, Büros und Werkstätten in den 1970er-Jahren. Ein Schwerpunkt soll auf der Haushalts- und Unterhaltungstechnik liegen. Im Goldschmiedehaus steht dagegen der Schmuck der 1970er-Jahre im Mittelpunkt.
Um zu erfahren, wie andere Museen Technik aus den 1970er-Jahren sammeln und ausstellen, haben wir am 28. Oktober zu einer virtuellen Tagung eingeladen. Sie hieß „Der sentimentale Kassettenrekorder“, denn gerade an den Kassettenrekordern entzünden sich viele persönliche Erinnerungen, die wiederum Anknüpfungspunkte für Kommunikation und Austausch sind, zwischen dem Museum und den Besucherinnen und Besuchern, aber auch unter den Besuchenden. In sieben Vorträgen sind viele interessante Fragen angesprochen worden, die zahlreiche Anregungen für die kommende Ausstellung gebracht haben. Catharina Raible aus dem Stadtmuseum Hornmoldhaus in Bietigheim stellte die Ausstellung „Orange – Farbe und Lebensgefühl der 1960er-/1970er-Jahre“ vor, die bei vielen Besucherinnen und Besuchern positive Erinnerungen hervorrief und damit eine gute Grundlage für die weitere Vermittlung bot. Wieviel und welches Potenzial in der Präsentation von Elektrogeräten in Ausstellungen liegt, machten Zofia Durda und Nicole Naumann in ihrem Vortrag „Ein Fernseher wandert durchs Haus? Präsentation von Elektrogeräten in der Königsberger Straße im Freilichtmuseum am Kiekeberg“ deutlich. Beide arbeiten im Freilichtmuseum am Kiekeberg an der Darstellung und Vermittlung der Zeitgeschichte.
Thomas Kosche aus dem Technoseum Mannheim stellte unter dem Titel „Mofa, Moped, Kleinkraftrad – Die Motorisierung der Jugend als Sammlungs- und Ausstellungsthema“ tolle Fahrzeuge vor und zeigte, dass die Entwicklung und Nutzung dieser Objekte, die stets viel Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher erhalten, von vielen Faktoren abhing, darunter technischen, steuerlichen und versicherungstechnischen. Ebenso interessant waren aber auch seine Ausführungen zum Image einzelner Fahrzeuge, das wiederum viel mit der Jugendkultur der Zeit zu tun hat.
Nach Haushalten und Straßen betrat Ann Heinen aus dem LVR-Freilichtmuseum Kommern mit ihrem Vortrag einen weiteren Raum – Gaststätten als Orte der Freizeitgestaltung. Auch hier gab es Technik, mit dem Spielautomaten mit dem Namen „Rotomat-MONARCH“ thematisierte sie ein Gerät, das in den 1970er-Jahren weit verbreitet war. Wie aber können die Besonderheiten eines solchen Objekts vermittelt werden? Neben rechtlichen Hürden – Automaten unterliegen, selbst wenn sie alt sind, der Glückspielgesetzgebung – geht es auch darum, welche Art der Erinnerung damit verbunden sein kann. Anders als die fröhlich-bunten Rückblicke, die durch orangefarbene Objekte der Zeit hervorgerufen werden, kann es hier auch um schwierige Themen, wie etwa Spielsucht, gehen.
Der Titel des nächsten Vortrags war etwas provokativ: „"Erschwinglich und idiotensicher!" – Geschlechterstereotype und Rollenbilder in den 1970er-Jahren am Beispiel der Nikon EM“ Aber er nahm nur ein Zitat auf, das sich in den Marketingüberlegungen der Firma Nikon fand. Lukas Aufgebauer aus dem Museumsdorf Cloppenburg konnte sehr anschaulich darlegen, was die technische Entwicklung in der Fototechnik mit Frauen als Hobbyfotografinnen zu tun hat – oder aus Sicht von Produzenten haben sollte.
Dass auch Arbeitsschutzplakate zeitgebunden gestaltet und ausgerichtet sind, zeigte Bernd Holtwick an Beispielen aus dem Bestand der DASA (Deutsche Arbeitsschutzausstellung), Dortmund. Sie sind weit mehr als „Warnung vor den Tücken der Technik“ gewesen und sind deshalb wichtige Quellen, nicht zuletzt für Fragen der Geschlechterbeziehungen. Den Schlusspunkt bildete ein Blick in die Praxis. Gregor Kölsch, der in der Hees Bürowelt GmbH in Siegen tätig ist, stellte den Wandel von Technik, Ausbildung und Berufsausübung in den 1970er- und 1980er-Jahren. Als einer der letzten Büromaschinenmechanikermeister Deutschlands führte er äußerst kompetent durch die Entwicklung des Berufs und damit den Wandel vom mechanischen über das elektronische bis hin zum digitalen Arbeiten vor. Er eröffnete aus der Praxis aufschlussreiche Einblicke in Objekte wie die berühmte Olympia-Kugelkopfschreibmaschine, die mit ihrer Korrekturfunktion zum Statussymbol in den Büros der 1970er-Jahre avancierte.
Trotz des digitalen Formats gab es einen lebhaften Austausch unter den 26 Teilnehmenden. Aus den vielen Anregungen seien nur zwei herausgegriffen. In vielen Vorträgen kam das Verhältnis zwischen Männern und Frauen zur Sprache – und die Tatsache, dass sich einerseits mit den 1970er-Jahren Emanzipationsentwicklungen verbinden, andererseits aber noch viele Stereotype wirkten und teilweise bis heute wirken. Das ist sicher ein Thema, das in der Ausstellung aufgegriffen wird. Zum anderen setzen sich viele Kolleginnen und Kollegen – sicher nicht nur unter den Tagungsteilnehmenden – mit der Frage auseinander, wie Erinnerungen und auch die Nostalgie, die gerade das Thema 1970er-Jahre hervorrufen, positiv in die Vermittlungsarbeit einbezogen können. Damit die Reaktion der Besucherinnen und Besucher nicht im „Das hatten wir auch …“ stecken bleibt, sondern die Präsentationen zu einer breit gefächerten Kommunikation anregen, die die Besucherinnen und Besucher bereichert und „gewitzter“ verlassen. Das zumindest soll auch unser Anspruch an die Ausstellung sein.
Anfang nächsten Jahres starten wir mit den konkreten Planungen. Wenn Sie jetzt schon Hinweise, Anregungen oder Objekte zum Thema haben, melden Sie sich bitte bei Anke Hufschmidt, anke.hufschmidt@lwl.org. Vielen Dank!